ein Gastartikel von Paula Süß
Wie alles begann: Der Bechdel-Test als Maßstab für Geschlechterdarstellungen in Filmen
Wie oft sitzen Frauen in Filmen eigentlich nur als Statistinnen am Rand? Der Bechdel-Test nimmt genau das in den Blick. 1985 wurde das Format von der Comiczeichnerin Alison Bechdel in ihrem Strip „Dykes to Watch Out For“ vorgestellt. Ursprünglich als satirischer Kommentar gedacht, entwickelte er sich zu einem viel genutzten Maßstab, um Geschlechterdarstellungen in Filmen zu hinterfragen. Der Test prüft, ob ein Werk mindestens zwei Frauen beinhaltet, die miteinander über etwas anderes als einen Mann sprechen.
Obwohl er keine Aussage über die Qualität eines Werkes trifft, zeigt er, wie oft Frauenrollen marginalisiert oder auf Klischees reduziert werden. Der Test macht historische Muster sichtbar, in denen Frauen als Nebenfiguren in männlich dominierten Geschichten auftreten, und sensibilisiert für die Notwendigkeit ausgewogenerer Repräsentationen.
Der originale Bechdel-Test für Filme beinhaltet folgende Kriterien:
- Die Handlung des Filmes muss mindestens zwei Frauen in den Hauptrollen beinhalten.
- Der Film sollte mindestens eine Konversation nur zwischen Frauen zeigen.
- Das betroffene Gespräch darf sich nicht um einen Mann drehen.
Geschlechterungleichheit in der Buchbranche: Was Studien zeigen
Wir finden, dass es längst überfällig ist, ein ähnliches Konzept für die Buchbranche zu entwickeln. Wer sagt denn, dass verschriftlichte Welten so viel fairer mit weiblichen Sprechparts umgehen?
Auch wenn es bis jetzt wenige Studien gibt, die sich mit der Gleichberechtigung in Plot-fördernden Dialogen beschäftigen, werden nachfolgend benachbarte Auseinandersetzungen präsentiert, um die Aktualität des Themas zu unterstreichen.
Stereotype und marginalisierte Frauenfiguren
Eine Studie aus 2022 kam zu dem Ergebnis, dass männliche Charaktere die weiblichen Personen in Büchern überbieten - in einem 4:1 Verhältnis! Dass männliche Protagonisten damit auch als Gesprächsführende vorne liegen, ist anzunehmen. Eine weitere Studie von 2024 befasst sich mit Geschlechterstereotypen und diverser Darstellung in Romanen der letzten zehn Jahre. Ganz ähnlich einer vorangegangenen Untersuchung aus 2015, die größtenteils passive und traditionelle Frauenrollen vorfand, macht auch diese Studie wenig Hoffnung. Zwar sagen die Forscher*innen klar, dass es immer wieder Werke mit mehrdimensionaler Frauenrepräsentation gibt – sie bleiben aber Ausnahme! Es dominieren weiterhin Beschreibungen, die Frauen eher männerabhängig darstellen - und das nicht nur in Liebesromanen. Die Studie untersuchte alle gängigen Genres. Es bietet sich die Annahme, dass dadurch auch Gespräche seltener als gewünscht weibliche Selbstbestimmung außerhalb des heteronormativen Systems thematisieren.
Mehr als nur Autorinnen: Geschlechterrollen in Studieninhalten
Eine letzte interessante Stimme, die an dieser Stelle erwähnt werden soll, ist Strouth Gaul. Sie befasst sich in einem Artikel mit weiblicher Repräsentation in den Curricula amerikanischer Hochschulen und bezieht sich dabei auf den Bechdel-Test. Ihr Fazit ist, dass es nicht ausreichen kann, die immer gleichen Themen „einfach“ aus Büchern weiblicher Autorinnen zu lesen, sondern auch auf Fortschritt und Inklusion im Inhalt geachtet werden muss:
„(…) sicherzustellen, dass die Texte (…) weibliche Charaktere im Verhältnis zu anderen weiblichen Charakteren darstellen und Themen behandeln, die außerhalb heteronormativer, patriarchaler Beziehungen liegen. “
Ein neuer Ansatz: Der Buch-Bechdel-Test für die Buchbranche mit vier Kriterien
Dass auch bei aktuellen Veröffentlichungen Platz für Kritik bleibt, ist damit klar geworden; warum also nicht der Bechdel auch für Bücher? Ob für soziale Nachhaltigkeit, vielfältige Repräsentations- und Identifikationsmöglichkeiten oder den online Trend decentering men, eine Auseinandersetzung mit den weiblichen Charakteren in unseren Lieblingsbüchern kann nicht schaden. (Übrigens gibt es auch Bechdel-Adaptionen mit queerem oder ethnischem Fokus, siehe bspw. DuVernay Test und Vito Russo Test).
Mit Inspiration aus verschiedenen Blogeinträgen und der Grundformel von Alison Bechdel, präsentieren wir unsere Testkriterien für einen Buch-Bechdel:
- Im Buch erscheinen mindestens zwei weibliche (oder nonbinäre) Personen mit Namen und Hintergrundinformationen.
- Weibliche Figuren müssen unabhängig handlungsfähig sein und den Plot vorantreiben.
- Es muss ein Gespräch zwischen nur weiblichen Personen, ohne Männerbezug oder heteronormative „Frauenthemen“ und mit thematischer Relevanz geführt werden.
- Das Gespräch muss mindestens 150 Wörter beanspruchen (das Äquivalent zu 60 Sekunden Filmdialog).
Es ist eigentlich ein Leichtes, die Prinzipien des Bechdel-Tests auf die Literatur zu übertragen, wie wärs also zum Beispiel mit einer zusätzlichen Wertungsrubrik in GoodReads?
Happy Reading!
Weiterlesen
Wir möchten euch an dieser Stelle noch weiterführende Artikel und Gedanken zum Thema Buch-Bechdel empfehlen: