Liebe Bianca, dein neues Buch “Die Groschenphilosophin: Ein Jahrzehnt Internet, Feminismus und Popkultur” fasst ein Best-Of deiner Blogbeiträge für groschenphilosophin.at zusammen. Wie kam dir die Idee, deinen Blog nach zehn Jahren in ein Buch zu verwandeln?
Puh, ich denke, die Idee hatte ich schon ungefähr nach neun Jahren. Ich mochte die Vorstellung, dass es groschenphilosophin auch als Buch geben
würde. Als persönlicher Meilenstein, aber auch als haptisches Produkt, das sich Leserinnen ins Bücherregal stellen könnten, die in diesem Internet erwachsen geworden
sind.
In einer Zeit, in der das Digitale oft als kurzlebig, oberflächlich, banal und flüchtig wahrgenommen wird, ist es medienhistorisch unglaublich wertvoll, wenn Autorinnen wie ich ihre online geäußerten Gedanken und Erfahrungen in Buchform bringen. Frauen haben lange um Sichtbarkeit in der Literatur und im intellektuellen Diskurs gekämpft, und viele ihrer Beiträge sind über die Jahrhunderte schlicht untergegangen oder unsichtbar gemacht worden. Ein Buch zu veröffentlichen – vor allem als Frau und vor allem zu feministischen Themen – schafft daher eine viel stärkere Beständigkeit und Verankerung im kulturellen Gedächtnis, als es ein Instagram-Kanal jemals könnte. Zumindest, wenn wir langfristig denken.
Es geht dabei nicht nur um das eigene Schreiben, sondern auch darum, Teil einer dokumentierten Geschichte zu sein, die nicht einfach „verschwinden“ kann, wenn eine Plattform sich ändert, oder der Algorithmus sich gegen die Sichtbarkeit weiblicher Stimmen und Körperteile richtet. Oder – Gott bewahre – wenn mein Blog doch aus irgendwelchen aktuell nicht vorhersehbaren Umständen verschwindet.
Das Buch ist für mich auch eine schöne Möglichkeit, den eigenen Blog-Inhalten eine neue Dimension zu geben. Der Blog ist ja – so, wie er online existiert – ein offener Raum für Austausch und ständige Veränderung. Im Buch aber wird das Projekt verdichtet und eingeordnet, sodass Leserinnen es ganz anders wahrnehmen können. Sie sehen: „Ok, so hat das Internet also 2015 oder 2016 über dieses Thema gedacht.“ 2016 ist im Internetzeitalter ungefähr 100 Jahre her, deshalb war es auch für mich sehr spannend, das nachzulesen.
Ein Blogbuch macht also durchaus Sinn, weil es die Essenz und Entwicklung der letzten zehn JahreInternetfeminismus sozusagen für immer festhält. Es ist etwas Dauerhaftes, Greifbares, ein Stück Zeitgeschichte, das hoffentlich als Zeugnis für feministische Diskurse im deutschsprachigen Raum eingehen wird.
Die Arbeit als feministische Autorin und Essayistin beschreibst du in einigen Artikeln als durchaus aufreibend und challenging – Was motiviert dich, dennoch mit klarer Haltung weiterzuschreiben?
Sehr pragmatische Antwort: Es ist einfach mein Job. Ich bin Autorin und Künstlerin, und habe darin meine Berufung gefunden. Ich könnte mir nicht vorstellen, etwas anderes zu machen; auch, weil ich eben in dieses Internet schreibe, seit ich 13 bin. Es hat sich so eingespielt, ich bin sehr routiniert und sehe meine Umwelt immer auch durch diese fast schon anthropologische Beobachterinnen-Perspektive, was manchmal sehr anstrengend, aber im Großen und Ganzen sehr erfüllend ist.
Ich kann sagen, was ich mir denke; ich kann mich ausdrücken und den Diskurs einfangen, wiedergeben, kommentieren. Ich kann Menschen mit meinen Worten berühren, aufregen, aufrütteln. Wenn das kein Privileg ist! Ich speichere mir viele Nachrichten ab, die ich bekomme.
Und natürlich hat dieser Job auch seine Schattenseiten. Kreatives Burn-Out, hallo. Ich schreibe wirklich fast jeden Tag, und habe auch jetzt wieder mehr als drei neue, kreative Projekte, die ich am liebsten alle gleichzeitig umsetzen würde, aber ich möchte auch ein erfüllendes Privatleben haben und das in vollen Zügen genießen. WE ALL GONNA DIE!?!?Also: es ist und bleibt eine schwierige Balance. Wie Jia Tolentino so schön in Trick Mirror schrieb: „We would have to think very carefully about what we’re getting from the internet, and how much we’re giving in return.“
Ich glaube, dieser Tanz gelingt mir aktuell ganz gut.
Von welchem Blogeintrag wusstest du als erstes: Der muss ins Buch?
Es gab nicht DEN Blogeintrag. Zuerst habe ich darüber nachgedacht, welchen Fokus ich mit dem Buch setzen möchte. Ich wollte definitiv nichts über Arbeit drinnen haben, da ja erst diesen Sommer mein Buch zu Anti-Work bei Haymonerschienen ist.
Deshalb war für mich klar: Die Groschenphilosophin – das Buch – soll kulturlastig werden! Was haben wir die letzten zehn Jahre gelesen, gebinged, gehört, worüber haben wir uns im Internet und IRL mit unseren Freunden aufgeregt? Seien es Mamablogger, CBD-Öl vertreibende Influencer oder Reels. So bin ich vorgegangen.
Deine Texte leben von Offenheit und Authentizität. Du zeigst deine Erfolge ebenso wie die Herausforderungen deiner Arbeit; du sparst nicht an Kritik dir selbst und anderen gegenüber. Wünschst du dir manchmal, etwas Geschriebenes wieder zurücknehmen zu können, fühlst du dich manchmal zu entblößt?
Das ist im Nachhinein natürlich schwer zu sagen, denn hätte ich all die Texte nicht geschrieben, die ich geschrieben habe, wäre ich jetzt nicht da, wo ich bin. Ich wüsste nicht, was mir zu viel ist, wo meinen Grenzen liegen, wie mein Stil klingt. Ich kann mich nicht der Erfahrung berauben, in der Internetöffentlichkeit erwachsen geworden zu sein.
Übrigens: Es ist weniger von meinem Privatleben bekannt, als manche glauben. Ich achte schon sehr, sehr krass darauf, was ich in welcher Form über mich preisgebe. Nichts davon ist „Zufall“ oder einem naiven Impuls geschuldet.
Und selbst das, was ich preisgebe, ist literarisch stark verfremdet, oftmals stilistisch überspitzt und entspricht nicht immer den genauen Tatsachen. Ich schwanke stets zwischen einem autoethnografischem, und einem autofiktionalen Stil, wenn wir jetzt über Genres sprechen.
Oft geht es mir mehr darum, eine Haltung oder ein Argument rüberzubringen, als meine Lebensgeschichte. Die eignet sich halt leider trotzdem sehr gut für anekdotische Einstiege, die dann regelmäßig eskalieren.
Mein nächstes Buch wird ein Roman, und ich freue mich sehr, dass mich dann endlich niemand mehr über mein Privatleben ausfragen kann. Ich werde einfach alles abstrahieren, abstreiten, auf eine Meta-Ebene bringen und mich da schön raushalten.
ES IST ALLES FIKTION!! ; ) ) )
Was wünschst du dir, was dein Buch bei den Lesenden auslöst?
Nostalgie, auf jeden Fall. Ich habe mit Groschenphilosophin angefangen, als ich 22, 23 war. Auch meine langjährigsten Leserinnen sind in diesem Alter in den Feminismus, oder in den Journalismus, oder in die erste toxische Beziehung eingestiegen. Inzwischen sind wir in einer ganz anderen Lebensphase – und das ist gut so. Ich hoffe, dass wir gemeinsam beim Lesen dieses Buchs darüber lachen können, was wir alles als Generation durchstehen mussten, um an einen besseren Ort mit etwas mehr Peace of Mind zu gelangen.
Natürlich möchte ich, wie alle mentally sane ppl ü30, auf gar keinen Fall zurück in meine Zwanziger.
Welche Themen treiben dich aktuell um, wozu brennt dir der nächste Blogeintrag unter den Nägeln?
Ich war im Herbst zwei Wochen in Albanien, darüber möchte ich unbedingt einen sehr, sehr langen Essay schreiben, weil mich dieses Land so nachhaltig beeindruckt hat. Der Fokus meines Blogs wird die nächsten Jahre definitiv Richtung alternative Perspektiven zum Heiraten und Kinderkriegen shiften. Oder, wie ich so gerne auf Englisch sage: The Remote Life of a Childfree Woman. Klingt gleich viel besser, oder?
Ich möchte kinderfrei leben, solange es geht. Das heißt aber auch, dass meine Dreißiger ziemlich anders aussehen werden, als bei meinen Eltern und den meisten meiner Peers. Ich schlafe lange. Ich übernehme keine bis wenig Care-Arbeit. Es gibt in meinem Leben weder Elternabende, noch Schulferien. Dafür Kunst, schöne Möbel, interessante Landschaften, regelmäßig Sport und Auszeiten mit Freund*innen.
Vorbilder, die mir dieses andere, vermeintlich schlechtere Leben zeigen, fehlen bis auf wenige Ausnahmen (zum Beispiel Jennifer Klinges: „Auch gut“). Im Bücherregal, aber auch auf Social Media sind sie zwischen Stilltipps, Reisen mit Kind und bedürfnisorientierten Erziehungsratgebern verdammt unterrepräsentiert.
Anders als digitale Nomaden ziehe ich jedoch nicht von Wohnung zu Wohnung, von belebtem Co-Working-Space zu Co- Working-Space, sondern habe einen festen Wohnsitz, den ich regelmäßig gegen längere Auslandsaufenthalte eintausche – ungefähr ein Drittel des Jahres. Ich vereine so das Beste aus zwei Welten: Meine stabilen Beziehungen, Kontakte und das berufliche Netzwerk zuhause, und ein Leben on the road. Remote.
Welche Blogs liest du so? Welche anderen Plattformen inspirieren dich?
Ich liebe Medien wie The Cut, Deux Moi, Studio Rot und schaue sehr gerne US- oder UK YouTube. Zum Beispiel Salem Tovar, Tiffany Ferg, Manifestelle, Tara Mocknee, Leena Norms oder Face Tatt Philosophy. Da kann ich richtig abschalten, während ich gleichzeitig inspiriert werde.
Auf Insta oder TikTok bin ich privat eigentlich gar nicht. Die Inhalte da berühren mich schon ewig nicht mehr.
Du bist mit Buchveröffentlichungen, Social Media und Podcast breit aufgestellt, planst du weitere Projekte auch außerhalb des Schreibens? Worauf dürfen wir uns demnächst von der Groschenphilosophin aka Bianca Jankovska noch freuen?
Musik! Meine zweite, wenn nicht gar erste große Leidenschaft. Ich habe Gesangsunterricht gehabt, bevor ich wusste, dass ich einmal Autorin werde. Eigentlich war dieser ganze Journalismus-Kram – wenn ich jetzt darüber nachdenke – auch einfach eine günstige Alternative zum Musikmachen. Ich hatte kein Klavier, ich hatte kein Ableton, ich wusste nicht, wie oder wo ich anfangen könnte. Mit dem Schreiben war das einfacher. Blog aufsetzen, fertig.
Inzwischen nehme ich auch schon seit Längerem Klavierunterricht und habe einen Produzenten gefunden, mit dem ich sehr vibe, was Stil, als auch personal Politics angeht.
Also ja, ich trau es mich kaum auszusprechen: aber das nächste, was ihr von mir erwarten könnt, ist experimental Atonal Music, mit einem Hauch von Pop.
Aber bitte erstmal no pressure.
Mehr zu Bianca Jankovska auf groschenphilosophin.at oder via @groschenphilosophin