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"Mit gendergerechter und -sensibler Sprache ist es möglich, alle Menschen respektvoll anzusprechen." - Interview mit SprachBewusst.SprachGerecht

Bild via Hannah Busing/Unsplash
Bild via Hannah Busing/Unsplash

1. Liebe Tabea, liebe Christine, stellt euch und SprachBewusst.SprachGerecht bitte kurz vor. Was ist eure Mission?

Wir haben SprachBewusst.SprachGerecht gegründet, um unseren Teil zur sozialen Gerechtigkeit, Antidiskriminierung und Gleichstellung aller Geschlechter beizutragen.

Seit Langem ist bekannt, dass geschlechtergerechte Sprache ein wichtiger Faktor zur Erhöhung der Ansprache von Frauen und in jüngster Zeit auch nicht-binärer Personen darstellt. Wir wollen das Thema für die Menschen zugänglicher, verständlicher und leichter anzuwenden machen. Denn es liegt uns am Herzen auch andere von dem Thema zu begeistern und unsere Kompetenzen weiterzugeben. Gendergerechte Sprache polarisiert, es gibt diverse Vorbehalte und Ängste – diese können wir mit unserer Arbeit abbauen.

 

2 Was habt ihr jeweils für einen Hintergrund?

CI: Ich habe im Master Gender Studies studiert und einige Jahre im Gleichstellungsbüro einer Hochschule gearbeitet. Seit 2017 bin ich wissenschaftliche Mitarbeiterin bei Prof.in Gabriele Diewald in einem Forschungsprojekt zur Theorie und Praxis gendergerechter Sprache und promoviere zu Kritiken an gendergerechter Sprache. In unserem neuen Projekt beschäftigen wir uns mit der Evozierung von Genderstereotypen durch Adjektive in Pressetexten – denn Sprache und Stereotype wirken nicht nur über Personenbezeichnungen. In Hannover habe ich dann Tabea kennengelernt

TT: Ich komme aus einem vielleicht eher konservativ geprägten Vorort von Hannover und bin in einer Familie ohne „klassisches Familienbild“ aufgewachsen, Rollenbilder zu hinterfragen gehörte für mich einfach dazu. Außerdem war ich immer an Sprache interessiert und habe dann Klinische Linguistik in Bielefeld studiert. Dort habe ich meine Schwerpunkte auf Psycholinguistik und Sprachverarbeitung gelegt. Als Therapeutin habe ich Menschen geholfen (wieder) sprechen zu können und sich im Alltag sprachlich zurecht zu finden. Doch es wurde immer deutlich, dass Sprache so viel mehr kann.

 

3. Warum habt ihr euch entschieden, euch mit gendergerechter und inklusiver Sprache zu beschäftigen und dazu ein Unternehmen zu gründen?

Wir arbeiten seit 2017 wissenschaftlich zu dem Thema geschlechtergerechte und genderbewusste Sprache, aus linguistischer und gendertheoretischer sowie psycholinguistischer Perspektive Durch diese Arbeit sind wir umfassend in die vorliegenden Forschungsarbeiten sowie aktuellen gesellschaftlichen, politischen und rechtlichen Entwicklungen und Diskussionen eingearbeitet. Unser letztes Forschungsprojekt hieß „Geschlechtergerechte Sprache in Theorie und Praxis“ und wir haben gemerkt, dass es an der Praxis hadert und es unglaublich viel Bedarf an Aufklärung und Wissenstranfer gibt. Unser Wissen aus der Forschung machen wir für unsere Kund*innen in der Praxis nutzbar. Dabei bringen wir unsere Erfahrung aus mit unserer eigenen Auseinandersetzung mit unserer Sprachverwendung mit und können diese persönlichen Reflexionsprozesse für unsere Kund*innen transparent und nachvollziehbar machen und so ermutigen sich selbstbewusst und informiert dem Thema anzunähern und eigene Wege der gendergerechten Sprache zu finden.

 

4. Was sind eure Empfehlungen für Autor*innen und Verlage, denen es grundsätzlich schon wichtig ist, zu gendern und inklusiv zu sein, die aber nicht wissen, wo sie beginnen sollen?

CI: Ich glaube es ist ein erster Schritt sich zu fragen: Was will ich sagen? Über wen spreche ich? Wen spreche ich an? Wen will ich adressieren? Und dann mutig und offen zu sein.

TT: Einen Kurs bei uns zu buchen ;-) Das wichtigste ist erstmal sich zu überlegen „Was und wen will ich erreichen?“, „Was ist mir an meinen Texten wichtig“ und dann findet sich eine Schnittmenge und die richtige Variante.

 

5. Was macht euch an eurer Arbeit besonders Freude?

CI: Wir lernen immer dazu! In der wissenschaftlichen Arbeit ist es manchmal etwas einsam, v.a. wenn in Corona Konferenzen ausfallen. In unseren Workshops und Beratungen können wir unser Wissen aus der Theorie und unserer Forschung in die Praxis weitergeben und gleichzeitig ständig erweitern. Es macht sehr viel Freude mit unterschiedlichen Menschen aus unterschiedlichen Feldern zu arbeiten. Wir waren z.B. kürzlich in einer Schule und konnten mit Lehrkräften arbeiten. Diese haben eine wichtige Vorbildfunktion und können im Kleinen viel verändern.

TT: Der AHA-Effekt in den Augen unserer Kundinnen und Kunden. Während der Kurse gibt es bei vielen einen Moment der Enttäuschung, weil es keine verbindlichen Regelungen gibt, die wir lehren. Aber kurz danach kommt eigentlich immer die Erkenntnis: Es lohnt sich und ich hab da bock zu. Dann hinterher zu sehen, wie sich gendergerechte Sprache weiter verbreitet, wie die Menschen sich dafür öffnen, einen Teil dazu beigetragen zu haben, das macht Spaß!

 

6. Was sind die Herausforderungen bei eurer Arbeit? Stoßt ihr bei euren Beratungen manchmal auch an Grenzen?

Viele Menschen würden sich klare Regelungen zu gendergerechte Sprache wünschen und kommen auch in unsere Kurse/Beratungen mit der Erwartung jetzt DIE Regeln zu lernen. Wenn wir dann kommen und gemeinsam eine Lösung erarbeiten wollen ist das häufig ein kurzer Dämpfer. Ganz neu sind die Grenzen und Herausforderungen von Online-Kursen/Beratungen. Eigentlich lebt unsere Arbeit von der Diskussion und dem Austausch, die Menschen sind hinter der Kamera aber eher gehemmt als in einer persönlichen Runde.

Tabea Niemeyer und Christine Ivanov von SprachBewusst.SprachGerecht (Fotorechte bei SprachBewusst.SprachGerecht)
Tabea Niemeyer und Christine Ivanov von SprachBewusst.SprachGerecht (Fotorechte bei SprachBewusst.SprachGerecht)

7. Was seht ihr für die Zukunft von SprachBewusst.SprachGerecht? Was wünscht ihr euch für die nächsten fünf Jahre?

Wir wünschen uns noch viele interessante und anregende Beratungen, Lektorate, Workshops und Diskussionen. Wir sind sehr gespannt, wie sich das Thema weiter entwickeln wird und wollen immer vorn mit dabei bleiben. Wer weiß welche Kooperationen noch auf uns zukommen und wie wir unser Angebot noch ausbauen können.

 

8. Was sind jeweils eure drei liebsten Bücher?

TT: Die Gilde der schwarzen Magier

Der goldene Kompass

Und aus gegebenem Anlass: Babypedia :-D

CI: „Momo“ von Michael Ende und „Die Bücherdiebin“ von Markus Zsusak. Zuletzt hat mich „Unerhörte Stimmen“ von Elif Shafak sehr begeistert. Und zum Abschalten lese ich sehr gerne Krimis ☺

 

9. Habt ihr Lesetipps für alle, die sich mit den Thema gendergerechte und inklusive Sprache weiter beschäftigen möchten?

Das „Handbuch Gendergerechte Sprache“ gibt einen guten Überblick über die Geschichte und Hintergründe gendergerechte Sprache. Es finden sich linguistische Grundlagen und ausführliche Tipps und Beispiele für die Verwendung gendergerechter Sprache in verschiedenen Textsorten. Und ansonsten–kontaktiert uns gerne!

Und die Webseite „genderleicht.de“.

 

10. Möchtet ihr unseren Leser*innen noch etwas mitgeben oder etwas ansprechen?

Sprache ist eines unserer wichtigsten Kommunikations-, Verständigungs- und Handlungsmittel. Sie ermöglicht es uns unsere Gedanken in Worte zu fassen. Unser Denken verändert sich mit der Art wie wir Sprechen. Mit gendergerechter und -sensibler Sprache ist es möglich, alle Menschen respektvoll anzusprechen. Wir möchten dazu ermutigen sich auf die vielen Möglichkeiten gendergerechter Formulierungen einzulassen und kreativ mit Sprache umzugehen.

Schaut gerne auf unsere Webseite: www.sprachbewusst.de oder schreibt uns eine Nachricht.

 

Herzlichen Dank!